Julia Seeliger
  • Alle Drogen in die “Drogerie”

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    10. November 2006 | Trackback | Internet ausdrucken
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    Karneval startet morgen, und auch dieses Jahr gibt es wieder literweise Drogen einfach so auf der Straße zu kaufen. Für die GRÜNE JUGEND ein Missstand: Jugendschutz kann auf diese Art und Weise nur schwierig realisiert werden (na, immerhin gibts die Kampagne “Keine Kurzen für Kurze“), außerdem ist bewusster Konsum der Droge Alkohol auch kaum möglich – ist das Kölsch leer, einfach zum nächsten Straßenstand hin …

    Die GRÜNE JUGEND steht für einen bewussten Konsum aller Drogen. Beim Bundeskongress in Jena hat die GRÜNE JUGEND das Konzept des Drogenfachgeschäfts vorgeschlagen. Dieser Vorschlag stößt bei vielen auf Kritik – aus unterschiedlichen Argumenten.

    Die einen sagen – ich nenne sie mal die Alkohol-Lobby – dass sich ein solches Konzept angesichts einer derart starken Durchdringung unserer Gesellschaft mit der Droge Alkohol nur schwer umsetzen ließe. Wie in dem Karnevals-Beispiel schon angeklungen: Dann ließe sich der Alk nicht mehr auf der Straße verticken.

    Die anderen haben die Sorge, dass das Drogenfachgeschäfts-Konzept dazu führen würde, dass viele Drogen leichter verfügbar wären. So würden mehr Menschen Kokain oder Heroin probieren, wenn diese Drogen im Laden verfügbar wären. Dieses Argument ist aus volksgesundheitlicher Sicht nicht ganz von der Hand zu weisen – diejenigen, die den “war on drugs” auch über eine Verknappung führen, fühlen sich in ihren Bemühungen unterlaufen.

    Jedoch liegt das Problem in unserer Gesellschaft doch mehr in der fehlenden Drogenmündigkeit der Menschen – vor allem bei Alkohol und Nikotin. Jedoch kommen nur Hardcore-CDUler auf die Idee, diese Drogen verbieten zu wollen. Dass dies nicht viel bringt, das hat die US-amerikanische Prohibition in den 30er Jahren gezeigt. Erst die Prohibition ermöglichte den Aufstieg der Mafia; nachdem die Prohibition aufgehoben worden war, verlegte sich die Mafia auf den Handel mit Heroin.

    ExpertInnen sind inzwischen der Meinung, dass die Drogenprohibition gescheitert ist. Jedoch wurden im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts juristisch Fakten geschaffen, die sich nur schwer wieder ändern lassen. Auf UN-Ebene gibt es das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel aus dem Jahre 1961 – ein internationales Vertragswerk mit dem Ziel, die Verfügbarkeit der meisten Drogen einzuschränken. Vorgänger dieses Abkommens waren die internationalen Opiumabkommen aus dem Jahre 1912 und 1925; in einem Ergänzungsabkommen wurde 1931 auch Cannabis aufgenommen. VerschwörerInnen sagen, dass die Plastikindustrie – Achtung: Öl! – großes Interesse hatte, den multifunktionalen Werkstoff Hanf vom Markt zu drängen, ein Anti-Cannabis-Abkommen kam da gerade recht.

    ExpertInnen streiten jedoch darüber, ob die Prohibition die einzige Lösung sein muss, die Verfügbarkeit der Drogen einzuschränken.

    Weil die GRÜNE JUGEND eine andere Drogenpolitik will, hat sie das Konzept des Drogenfachgeschäfts beschlossen. Dieses Konzept setzt auf Prävention, Aufklärung und Selbstbestimmung. Es soll nicht mehr zwischen harten und weichen Drogen unterschieden werden, denn nicht die Substanz sei gefährlich, sondern die Art und Weise, wie sie konsumiert würde. Die Art und Weise des Konsums wird auch als “Konsummuster” bezeichnet – moderne DrogenpolitikerInnen sprechen also nicht von harten und weichen Drogen, sondern von harten und weichen Konsummustern.

    Ein äußerst ungesundes Konsummuster ist beispielsweise das der Junkies, die sich gestrecktes Heroin spritzen, Heroin, von dem kaum jemand, auch nicht der Dealer, sagen kann, was dort jetzt wirklich enthalten ist. Auch KonsumentInnen von Partydrogen stehen im allgemeinen vor dem Problem, dass sie nicht wissen (können), was denn jetzt in der Pille oder dem fröhlichen Pulver, das sie im Club erworben haben, enthalten ist. Eine Politik der Legalisierung würde – so irrwitzig sich diese Formulierung auf den ersten Blick anhören mag – auch eine Menge “Verbraucherschutz” ermöglichen. Viele Drogentote sterben an verdrecktem Stoff – und nicht an ihrer Sucht selbst.

    By the way: Zigarettenautomaten soll es nach dem Konzept nicht mehr geben. Die Glimmstängel werden ebenfalls im Drogenfachgeschäft verfügbar sein.


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7 Responses to “Alle Drogen in die “Drogerie””

  1. > ExpertInnen streiten jedoch darüber, ob die Prohibition die einzige Lösung sein muss, die Verfügbarkeit der Drogen einzuschränken

    Zur Prohibition und ihren von dir dargestellten Folgen gelangt man, wenn man die Verfügbarkeit von Drogen problematisiert. Wenn man dies nicht tut und nur auf den aufgeklärten Umgang damit abstellt, braucht man sich nicht mehr Gedanken darüber zu machen, wie man den Leuten den Zugang zu Drogen möglichst schwierig macht. Das ist auch totaler Unsinn: den Menschen ihre Bedürfnisbefriedigung zu erschweren. Da können nur Gestörte drauf kommen.

    > Ein äußerst ungesundes Konsummuster ist beispielsweise das der Junkies, die sich gestrecktes Heroin spritzen,

    Ja. Die Gefahr liegt hier aber nicht in der individuellen Konsumform, sondern in den durch staatliche Repression gesetzten Rahmenbedingungen.
    Die Probleme, die jamand mit Drogen hat, liegen oft nicht an der Substanz selbst, sondern am offiziellen Umgang mit dieser Droge.
    Man kann bei den KonsumentInnen jeder Droge auf deren Marginalisierung und Ausgrenzung aus sein und damit Erfolg haben, leider.

  2. > Karneval startet morgen, und auch dieses Jahr gibt es wieder literweise Drogen einfach so auf der Straße zu kaufen. Für die GRÜNE JUGEND ein Missstand: Jugendschutz kann auf diese Art und Weise nur schwierig realisiert werden (na, immerhin gibts die Kampagne “Keine Kurzen für Kurze

    Wie war das noch unter Wahlalter 14 mit der “bürokratischen Jugendunterdrückung” und dem Aufruf “Gegen das Spießerpack!”?

    Na ja, wenn man in Preußen wohnt, ist es vielleicht schwierig, Jugendlichen den Karneval zu gönnen.

    Neben Ernährung und Rauchen ist Alkohol wohl der dritte Teil einer “Achse des Bösen”. Dementsprechend in den letzten Jahren die zunehmende Empörung über junge Leute, die sich Karneval ihr Bier reinpfeifen.

    Willst du als Ex-Wahl-Rheinländerin den Karneval ernsthaft über (am Rosenmontag womöglich geschlossene) Drogenfachgeschäfte organisieren?

  3. Lieber Christoph,
    man sollte doch marktwirtschaftlich argumentieren.

    Welches Drogenfachgeschäft hätte denn ein Interesse daran, am Rosenmontag geschlossen zu haben? Der Marzipankartoffel-Laden schließt doch auch nicht in der Vorweihnachtszeit; und auch die Schultüten-Läden haben in den Wochen um August/September ganz bestimmt offen.

    Also!

  4. Mit der Einschränkung: Es ging mir nicht darum, Leuten ihre Drogen wegzunehmen (also die Verfügbarnekt einzuschränken). Aber wenn ich diese UN-Abkommen richtig verstehe, haben sich die Staaten darin (leider) abgesprochen, die Verfügbarkeit von Drogen einzuschränken – und nicht, wie Freunde von mir immer behaupten, die Probleme mit Drogen zu minimieren.

    Sonst wäre es ja super-einfach, in den UN-Abkommen drin zu bleiben und dennoch mit der Drogenprohibition aufzuhören (was in meinen Augen das beste ist). Jedoch: Ich hab es so verstanden, als hätten sich die Staaten zu einer Einschränkung verpflichtet.

    Korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Dann ändre ich die unlogische Formulierung sofort. Denn auch ich bin damit inhaltich nicht so zufrieden. Aber UN bleibt UN. Was soll ich da machen?

  5. > Welches Drogenfachgeschäft hätte denn ein Interesse daran, am Rosenmontag geschlossen zu haben?

    O.K., das ist erst mal eine Frage von liberalen Öffnungszeiten.
    Aber auch eine von einer hinreichenden Dichte solcher Geschäfte. Faktisch wird dann jeder Getränkemarkt, jeder Kiosk und jede Kneipe die Möglichkeit haben müssen, Drogenfachgeschäft zu sein, ohne sonst allzuviel ändern zu müssen.
    Sonst haben wir Probleme in der Versorungslage.

    Das ist schon immer meine Kritik an dem Konzept gewesen, wenn man es zu dogmatisch durchführt:
    Legalisierung von illegalen Drogen auf dem Rücken von zig Millionen KonsumentInnen legaler Drogen. Scheint mir nicht der richtige Weg zu sein, mal abgesehen davon, dass diese Taktik auch gar nicht aufgehen wird.

    > – und nicht, wie Freunde von mir immer behaupten, die Probleme mit Drogen zu minimieren.

    Was hast du für Freunde?

    > Aber UN bleibt UN

    Hier geht es um die Verbindlichkeit völkerrechtlicher Verträge. Genau wie nationale Beschlüsse in einem demokratischen System revidierbar sind (im Rahmen rechtsstaatlicher Grenzen) muss das auch für internationale Verträge gelten. Wenn man einen Vertragsinhalt ablehnt, muss man Neuverhandlung versuchen oder raus aus dem Vertrag.
    Besser noch: nicht mehr so viele unsinnige Verträge unterschreiben!

  6. Besser noch: nicht mehr so viele unsinnige Verträge unterschreiben!

    Genau!
    Lieber Kyoto-II

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